Der hl. Hermann Joseph

+ 7. April 1241 oder 1251

 

Ein deutscher Heiliger aus der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert gehšrt unbedingt unter jenen Heiligen erwŠhnt, die ein besonders inniges VerhŠltnis zur seligsten Jungfrau Maria hatten. Es ist der in der zweiten HŠlfte des 12. Jahrhunderts (vermutlich zwischen 1155 und 1160) in Kšln am Rhein in der NŠhe der einzigartig schšnen Kirche St. Maria im Kapitol von armen Eltern geborene PrŠmonstratenser-Kanoniker Hermann mit dem Beinamen Joseph, der von frŸhester Kindheit an die Gottesmutter mit besonderer Innigkeit liebte und verehrte.

Die Legende erzŠhlt, dass der Knabe Hermann viele Stunden vor dem Bild der begnadeten Mutter mit ihrem gšttlichen Kind verbrachte. Kšlner Volkstradition meint, es sei die der ersten HŠlfte des 13. Jahrhunderts zugeschriebene, heute noch in St. Maria im Kapitol stehende und dort hoch verehrte romanische Skulptur, die man als die Šlteste Standmadonna Deutschlands bezeichnet hat.

Als der Knabe eines Tages vor diesem Marienbild herzhaft betete und das Jesuskind auf den Armen der Gottesmutter betrachtete, sei ihm das Herz Ÿberquollen vor Gebefreudigkeit, er habe den Apfel, den ihm seine Mutter fŸr die Schule mitgegeben hatte, dem Jesuskind dargeboten, dieses aber habe seine HŠndchen ausgestreckt und den Apfel in Empfang genommen. Das gŸtige LŠcheln der Himmelskšnigin und die segnende Hand ihres gšttlichen Kindes geleiteten von da an Hermann durch das Leben; Maria half ihrem Verehrer in seinen Nšten oft sichtbar. Maria selbst soll ihm auch den Rat gegeben haben, schon mit 12 Jahren der Neigung seines Herzens zu folgen und in den Orden des hl. Norbert einzutreten.

Tatsache ist, dass Hermann mit 12 Jahren im PrŠmonstratenser Kloster Steinfeld in der Eifel (damals zur Erzdišzese Kšln, heute zur Dišzese Aachen gehšrend) eintrat. Nach kurzer Probezeit wurde Hermann zur weiteren Ausbildung in das PrŠmonstratenser Kloster Mariengarten bei Hallum in Friesland gesandt. Dort hatte 1163 der selige Friedrich Feiko, der Pfarrer von Hallum (+1175) eine Kirche zu Ehren der seligsten Jungfrau Maria und des Apostels Johannes erbaut und eine Schule gegrŸndet; er hatte den Ort, der sich bald zu einer Klostersiedlung entwickelte, ãHortus MariaeÒ (Mariengarten) genannt. Um seiner GrŸndung einen besseren RŸckhalt zu geben, hatte der selige Friedrich Anschluss an den PrŠmonstratenser-Verband und an eins seiner bewŠhrten Klšster gesucht. Seine Wahl war auf das Kloster in Steinfeld in der Eifel gefallen, dessen Zucht damals berŸhmt war. Von dort holte er sich fŸr sein neu gegrŸndetes Kloster den Prior. Etwa von 1170 an stand Mariengarten in stŠndigem Austausch mit Steinfeld; stets waren in den folgenden Jahrzehnten jeweils zwei oder drei PrŠmonstratenser von Mariengarten in Steinfeld und umgekehrt nahm das Kloster Mariengarten Ordenskandidaten des Klosters Steinfeld in seine Schule auf. So wurde auch der Kandidat Hermann nach Mariengarten zur Ausbildung gesandt. Dort weilte er wŠhrend der letzten Lebensjahre des seligen Friedrich und wurde noch von diesem unterrichtet und erzogen. Sicher wurde dabei auch seine ihm schon von Kindheit an eigene Marienverehrung noch vertieft und verstŠrkt. TatsŠchlich hat Hermann Josephs Fršmmigkeit viel Gemeinsames mit der des seligen Friedrich, auch was die Marienverehrung betrifft.

ZurŸckgekehrt nach Steinfeld soll Hermann Joseph zuerst seine bescheidenen Dienste im Refektorium und bei der Besorgung von Brot, Fleisch, GemŸse und Obst fŸr die gro§e Klosterfamilie verrichtet haben, dann aber als Sakristan tŠtig gewesen sein. SpŠter Ÿbte er seine priesterliche TŠtigkeit vor allem als begehrter, erleuchteter SeelenfŸhrer, Beichtvater und Prediger aus, besonders in den Steinfeld benachbarten Frauenklšstern, vor allem in Niederehe, Reichenstein und Hoven bei ZŸlpich. Er wanderte zu diesen Klšstern und zu seinen Beichtkindern stŠndig zu Fu§, wie er Ÿberhaupt ein sehr bu§strenges, gottverbundenes Leben fŸhrte.

Immer war die Gottesmutter seine erste Ratgeberin und FŸhrerin. Beachtenswert ist die Mahnung, die ihm Maria als Mutter vom guten Rat gegeben haben soll, als er einmal darŸber klagte, dass er durch die ihm aufgetragenen Dienste als Sakristan und Speisemeister viel zu wenig Zeit fŸr das betrachtende Gebet erŸbrigen kšnne: ãWisse, mein Sohn, dass du mir nichts Angenehmeres tun kannst, als deinen BrŸdern in Liebe zu dienenÒ.

Der Priester Hermann entwickelte sich allmŠhlich z u einem mystischen Theologen und Schriftsteller. ãDie wenigen erhaltenen Werke, die er verfasste, sind eine einzigartige BestŠtigung dessen, was der zeitgenšssische Verfasser seiner ãVitaÒ Ÿber seine innige Liebe  zur Gottesmutter ... und Ÿber seine ganz dem Himmel zugewandte Seele zu sagen wei§.

Aus der Feder des hl. Hermann Joseph stammt zu allererst ein nach einer Aufforderung durch Maria begonnener Kommentar zum Hohenlied (ãCommentarium in Cantica canticorumÒ), der bis heute bedauerlicherweise verschollen ist; er kšnnte uns nŠmlich hšchstwahrscheinlich wertvollen Aufschluss Ÿber die Marienverehrung des hl. Hermann Joseph geben, zumal auch die Šlteste ãVitaÒ dieses Heiligen von der Sprache des Hohenliedes durchwoben ist und insbesondere der mystische Verkehr Hermann Josephs mit der seligsten Jungfrau darin gern mit den Worten dieser alttestamentlichen Dichtung wiedergegeben wird.

Unter den uns erhaltenen Gebeten des hl. Hermann Joseph gibt es ãZwšlf DanksagungenÒ, die fŸr seine Marienliebe Zeugnis ablegen, dann ãGebete Ÿber die fŸnf Freuden der seligsten Jungfrau Maria. Auch mehrere Hymnen dichtete dieser Heilige auf seine geliebte himmlische Mutter. Darin spŸrt man ganz stark die herzliche Marienliebe, von der dieser deutsche Ordenspriester beseelt war. Jener Aachener Priester, die diese Hymnen erstmalig ins Deutsche Ÿbertrug, meinte: ãDie Hymnen des hl. Hermann Joseph auf die Mutter Gottes sind von der Liebe eines ganz makellosen Herzens eingegeben und sind Ausdruck einer visionŠren Schau, fŸr die die ScheidewŠnde zwischen Zeit und Ewigkeit fast durchsichtig erscheinen. Die Mutter Gottes ist so sehr das ãFest seines HerzensÒ, dass sie immer wieder das EntzŸcken seiner Phantasie hervorruft, ist so sehr seine mystische Rose, dass es auch heute noch der MŸhe wert ist, seine Lobpreisungen auf Maria nachzudenken und nachzubeten, auf dass auch das eigene Herz von Freude erfŸllt werde ob der unaussprechlich gro§en Heilsbedeutung der Gottesmutter.

Man kann von der mystischen Hšhe, zu der sich Hermann Joseph in seinen schlichten, aber formschšnen Marienhymnen bisweilen erhebt, schon verstehen, dass ihm neben anderen mystischen Gnaden sogar die mystische VermŠhlung mit der Gottesmutter und deshalb auch der Beiname Joseph zuteilwurde. In der Šltesten ãVitaÒ dieses Heiligen wird der ihm gegebene Zuname so erklŠrt: seine MitbrŸder haben ihn wegen seiner kindlichen Fršmmigkeit und gro§en Herzensreinheit, die mit inniger Marienliebe verbunden war, sowie zur Unterscheidung von anderen TrŠgern des damals sehr gelŠufigen Namens Hermann Joseph zubenannt, er hat gegen diese unverdiente Ehrung im Konventkapitel Einspruch erheben wollen. In der Nacht vor dem beabsichtigten Einspruch aber sind ihm zwei Engel und in deren Mitte die seligste Jungfrau Maria erschienen. Ein Engel hat dann dem Mšnch Hermann, wie einst dem hl. Joseph die jungfrŠuliche Gottesmutter an verlobt. Dadurch habe der Zuname Joseph seine schšnste Rechtfertigung bekommen. Wšrtlich hei§t es da in der ãVitaÒ: ã...der Engel ergriff die rechte Hand Hermanns und legte sie in die Hand der hochheiligen Jungfrau. Dann vollzog er mit folgenden Worten die Verlobung: ãSiehe, ich Ÿbergebe dir diese Jungfrau zur Braut, so wie sie einst mit Joseph verlobt worden ist; zugleich mit der Braut sollst du den Namen des BrŠutigams empfangen; darum sei fortan dein Name Joseph!Ò

Der fromme Priester aber suchte von da an noch viel mehr die besonderen mystischen Gnadenerweise, die ihm zuteilgeworden waren und noch weiter zuteilwurden, vor den MitbrŸdern Šngstlich zu verbergen, er betrachtete sich allzeit als den niedrigsten der Knechte des Herrn und seiner jungfrŠulichen Mutter. Da sah er sich eines Nachts in einer Vision vor den Hochaltar der Kirche versetzt. Hier erschien ihm Maria mit ihrem gšttlichen Kind auf den Armen. Sie rief ihn liebevoll zu sich. Ihn aber packte nun gro§e Sehnsucht, das Kind Mariens in seine Arme nehmen zu dŸrfen. Darum sagte er zur Gottesmutter kŸhn: ãVielgeliebte, gib mir deinen Sohn!Ò Sie aber reichte ihm tatsŠchlich den Hei§ersehnten und sagte: ãTrage meinen Sohn so, wie er von meinem BrŠutigam nach €gypten getragen worden ist, damit du nun, wie du die Ehre des gleichen Namens (Joseph) erlangt hast, auch die gleiche heilige Last wie einst mein BrŠutigam Joseph tragest!Ò Dabei ermahnte die Gottesmutter den frommen Mšnch, er solle sich fortan nicht mehr gegen den Beinamen Joseph wehren. So trug er ihn von da an ohne Angst und Scheu.

Maria war dem hl. Hermann Joseph die ãRose seines HerzensÒ, wie er sie in familiŠrer Vertrautheit zu nennen pflegte. Dieser Kosename ãRoseÒ fŸr Maria ist dem Steinfelder Mšnch auch in sein zwšlffaches Dankgebet an Jesus Christus fŸr seine Menschwerdung, sein Leiden und seine Auferstehung hineingeflossen, wie die erste und letzten zwei Strophen dieses Gebetes zeigen:

ãDank sei dir, Herr Jesus Christus, dass du dich gewŸrdigt hast, um unsertwegen Mensch zu werden. Durch diese unaussprechliche Liebe schenke uns eine wahre und vollkommene Liebe zu dir. Wie du deine Mutter, die Rose, innigst erfreut hast, so erfreue auch uns zu innerst an Leib und Seele... Dank sei dir, Herr Jesus Christus, fŸr all dein Leiden. Verleihe auch uns, das GedŠchtnis deines Leidens so zu feiern, dass wir mit dir ewig leben kšnnen. Dank sei dir, Herr Jesus Christus, weil du glorreich von den Toten auferstanden bist und dadurch die Rose innigst erfreut hast. Durch die Verdienste der Rose lass uns mit dir auferstehen und uns ewig mit dir freuen. Dank sei dir, Herr Jesus Christus, weil du nach 40 Tagen in den Himmel aufgefahren bist und die Engelscharen erfreut hast. Lass uns durch die Verdienste der Rose zu dir emporsteigen und uns mit dir ewig freuen!Ò

Mit diesem Namen ãRoseÒ ruft der hl. H.J. dann auch Maria gleich am Anfang und immer wieder in seinem gro§en Muttergottes-Hymnus an: ãGaude, plaude, clara Rosa, /Esto moesto chara Prosa: /Salutanti, supplicanti, Te roganti, Te amanti / In christo: Te servaveroÒ (Freu dich, prŠchtÕge Rose, Labsal! / Teures Wort in meiner TrŸbsal! Sag dem, der zu deinen FŸ§en: Will in Christi LiebÔ dich grŸ§en: Schirm und Schutz will ich dir sein!Ò) – ãGaude, mea speciosa: / Tibi claxmo: Rosa, Rosa, /Pulchra nimis et formosa: / Tu sola sine compareÒ (ãFreu dich! Wie ich dich umkose. Hei§ dich meine Rose, Rose,/ wunderschšn und unversehrt, / †ber alle liebenswert,/ Einzig bist du, ohnegleichen!Ò) – ãGaude Rosa speciosa, / Super Rosam tu formosa: / Tu es Rosa singularis./ Sola Rosa tu vocaris:/ Tu lilium et Viola!Ò (ãFreu dich! Rose, hochbeglŸckte, / †ber Rosen noch geschmŸckte, / Rose, auserwŠhlte du, /EinzÕge Rose immerzu, / Lillie und Veilchen mein!Ó) – ãGaude, Rosa charitatis, / Admirandae suavitatis: / Toto corde complectanda, / et nequaquam dimittenda:/ Salutanda dulciter(ÒFreu dich, Rose, hochgeliebt, / Die so schšnen Duft mir gibt; / will dich herzlich stets umfassen, / Niemals will ich von dir lassen, / dich voll Liebe stets verehrÕnÓ).

Auch im Hymnus auf die hl. Ursula und ihre GefŠhrtinnen kann es der aus Kšln stammende Hymnendichter Hermann Joseph nicht lassen, das Bild der Rose fŸr Maria zu verwenden. Dieser Hymnus fŠngt mit den Worten an:

ãO vernantes Christi rosae, supra modum speciosae...Ò (Christi Rosen, jung und zartÉ). IN der neunten Strophe hei§t es dann: ãTe, o turba generosa,/ Praeit illa florens Rosa, / Sola Rosa principalis,/ Nec est tibi Rosa talis,/ Quae sit tibi coaequalis, /Mater tota curialis, / Quae tulit coeli DominumÒ (ãEine Rose wunderbar, / Geht voran Dir, edle Schar, / Erste Rose ohnegleichen, / Alle andren Rosen weichen,/ Ihre Pracht sie nicht erreichen. / Mutter ist sie in den Reichen / des Herrn, den sie getragen treuÒ).

Mit Recht hat man bemerkt, dass das bild von der Rose so sehr im Mittelpunkt aller werke des hl. Hermann Joseph steht, dass es geradezu Kriterium fŸr seine Autorschaft ist.

Auch in den ãFŸnf Freuden der muttergottesÒ kehrt biem dritten und fŸnften vers das bild von der Rose wieder: ãGaude Rosa speciosa, Christo vernans resurgenteÒ ( ãFreu dich, Rsoe, hei§ ersehnte! BlŸhend, als uns ChristÔ erstandÒ.) – ãGaude fruens deliciis, nunc Rosa juncta Lilio: eunda nos a vitiis, et tuo junge FilioÒ (ãFreu dich, Rose, all der Pracht, Von der Lilie nun umwunden! Halt uns fern von SŸndÔ und Nacht und mit deinem Sohn verbundenÒ).

Vermutlich haben die RosenblŸten im Hohenlied (Canticum canticorum) des Alten Testamentes, das ja der hl. Hermann Joseph im verschollenen Kommentar ausgelegt hat, ihn zu seiner Verehrung der mystischen Rose und zu seiner Vorliebe fŸr dieses Bild veranlasst. Es gibt aber auch in der ursprŸnglichen Fassung seiner ãVitaÒ eine Stelle, wo sich die seligste Jungfrau in einer dem Heiligen gewŠhrten Vision selber Rose genannt hat. Hermann Joseph war wegen der vielen Arbeit – so hei§t es da – in seiner Marienliebe eine Zeit lang kŸhler und sei in den Verrichtung von Gebeten zu Ehren Mariens sparsamer und zurŸckhaltender geworden. Da habe sich eines Abends folgendes zugetragen: der Heilige habe nach der Komplet als Sakristan die TŸren der Kirche in Steinfeld verschlie§en wollen, da sei plštzlich eine alte Frau mit zerrissenen Kleidern und zerfurchtem Gesicht und in bedauernswertem, dem Sterben nahem Zustand vor ihm gestanden. Er habe sie gescholten, was sie denn da noch herumstehe. Doch diese alte Frau habe gleich darauf gelŠchelt und gesagt, sie sei die Mutter des Herrn und die Rose, einst seine Freundin und Braut. Befragt, warum sie so alt erscheine, habe sie geantwortet: So bin ich in deinem Herzen geworden, wie ich dir jetzt erscheine. Aber wenn du dir vornimmst, dich zu bessern, so werde ich wieder schšn und leibreich wie vordem. Da sei sie gleich verŠndert gewesen und sei hervorgeschritten wie die Sonne und habe sich erhoben wie die Morgenršte, denn Hermann Joseph habe sofort zu seiner frŸheren Marienliebe zurŸckgefunden.

Die Marienmystik des hl. Hermann Joseph trat schlie§lich so stark in den Vordergrund, dass sie der Šltesten ãVitaÒ, die Ÿber sein Leben verfasst wurde, geradezu ihren Stempel aufprŠgte, wie E. Hegel in seiner grŸndlichen Studie Ÿber ãDie Vita des PrŠmonstratensers Hermann Joseph von SteinfeldÒ mit Recht geschrieben hat, der dann die Marienverehrung dieses Kšlner Heiligen als ãFrauendienst, Mutterschaftsmystik und BrautmystikÒ charakterisiert. ÒDem Bilde Mariens als der hehren Frau entspricht der Titel ãDominaÒ, unter dem der Verfasser der ãVitaÒ von Maria spricht (I, 18.23) und umgekehrt die Bezeichnung ãcapellanus meusÒ fŸr Hermann Joseph im Munde Mariens (I, 19); ãMagistraÒ wird Maria auch genannt (I,18) und mehrfach ãreginaÒ (I,4.18.24). – Die Vorstellung, dass die Mutter Christi auch die Mutter der ChristglŠubigen sei und als solche mittlerische Funktionen zwischen Christus und den Christen ausŸbe, liegt den vielen ErzŠhlungen von dem hilfreichen Eingreifen Mariens, sowie den Titeln und Anrufungen zugrunde, die Maria als ãsusceptrixÒ (I,14), ãconsolatrixÒ (I,18), procuratrixÒ (I,20), als  ãbenigna materÒ (I,3) oder ãpia materÒ (I,11), als ãmater misericordiaeÒ (I,6.11.25), als ãmater omnis dulcedinis et suavitatisÒ (I,16) bezeichnen. Dem Mutter-Kind-VerhŠltnis entspricht es, wenn umgekehrt Hermann Joseph der Adoptivsohn Mariens genannt wird (I, 11.16). – Ihren Hšhepunkt aber erreicht die Marienmystik der Hermann-Joseph-Vita in dem brŠutlichen VerhŠltnis zwischen der seligsten Jungfrau und ihrem Verehrer. Es findet im mystischen Erleben Hermann Josephs seine BestŠtigung in der Trauung zwischen ihm und Maria. Dadurch dass er von Maria auf die gleiche Stufe mit dem Pflegevater Jesu gestellt wird und wie er das gšttliche Kind auf seinen Armen tragen darf, wird der ihm von seinen MitbrŸdern gegebene Beiname mit neuem Inhalt gefŸllt (I,22-23). Auf Grund dieses brŠutlichen VerhŠltnisses zu der hohen Frau darf Hermann Joseph Maria ãsponsaÒ (I,23), ãcarissimaÒ (I,23), ãrosaÒ   (I,24)   nennen. Schon beim Aussprechen ihres Namens fŸhlt er sich vom Wohlgeruch erquickt (I,16); Mariens brŠutliche Sorge bereitet ihm den Empfang vor, als er in ein Nonnenkloster kommt (I,19), oder weckt ihn nach einem Aderlass, damit er sich nicht auf den verletzten Arm lege (I,20). Schlie§lich gehšrt in diese marianische Brautmystik auch die absonderliche Vorstellung, dass Maria die EifersŸchtige spielt, als Hermann Joseph in seiner Verehrung zu ihr nachlŠsst (I,24) oder andere Heilige als FŸrbitter anruft (I,27).

Den fast achtzig- bis neunzigjŠhrigen heiligen PrŠmonstratenser ereilte der Tod bei einer seiner Seelsorgsaushilfen im Zisterzienserinnenkloster in dem 20 km von Steinfeld entfernten Hoven bei ZŸlpich, wo eine heiligmŠ§ige Ordensfrau namens Elisabeth lebte, die am mystischen Leben ihres SeelenfŸhrers – wie betont wird – regen Anteil nahm. Dort wird die Gottesmutter ihrem MinnesŠnger am Donnerstag in der Osterwoche (7. April) 1241 oder 1251 entgegengekommen sein zum Dank fŸr seine schšnen Marienhymnen, die er ihr auf Erden gesungen hatte.

Selbst wenn man Ÿberkritisch die Berichte in der ãVitaÒ Ÿber die wunderbaren Ereignisse und Gnadenerweise im Leben des hl. Hermann Joseph ablehnen wŸrde, mŸsste man dennoch von diesem deutschen Heiligen die kindlich warme Liebe zur Gottesmutter, die ihn beseelte, als geschichtliche Tatsache zugeben, desgleichen seine au§ergewšhnliche mystische Begnadung. ãDieser innere Gnadenzug scheint, wenn wir den Kern der Ÿberkommenen Berichte als Grundlage annehmen, von der still kindlichen Liebe zur himmlischen Mutter zu einem Zustand mystisch brŠutlicher Zartheit gegenŸber seiner Herrin gewachsen zu sein.

Was den PrŠmonstratenser Orden, dem der hl. Hermann Joseph angehšrte, bezŸglich der Marienverehrung betrifft, so dŸrfte stimmen, was E. Hegel behauptet hat, dass sich nŠmlich weder beim OrdensgrŸnder dem hl. Norbert, noch in den ãConsuetudinesÒ (den ersten Gewohnheiten und BrŠuchen) des Ordens Spuren von intensiver Marienverehrung finden. Sie scheint bei den PrŠmonstratensern erst nach Norberts Tod, vielleicht durch zisterziensischen Einfluss, Fu§ gefasst zu haben. Die Legende, dass Maria dem PrŠmonstratenser GrŸnder Norbert das wei§e Ordensgewand Ÿberreicht habe, ist nicht vor 1550 nachweisbar. Aber die Verehrung Mariens hat schlie§lich auch im PrŠmonstratenser Orden – vielleicht sogar veranlasst durch das Beispiel des hl. Hermann Joseph – immer mehr zugenommen, so dass fast alle Kirchen des Ordens – Šhnlich wie bei den Zisterziensern – als Marienkirchen erbaut worden sind.